Er ist Deutschlands meistgefragter TV-Arzt, ausgebildeter Tropen-, Reise- und Präventionsmediziner. Dr. Christoph Specht setzt sich seit Jahren bei humanitären Einsätzen gegen die Ausbreitung des HIV-Virus und der Tuberkulose in Afrika ein. Er ist Mitglied der Royal Society of Tropical Medicine und wurde für seine medizinwissenschaftlichen Beiträge vielfach ausgezeichnet. Dr. Klaus Batz, Geschäftsführer der European Waterpark Association, sprach am 10. 3. 2020 mit dem Experten über das Risiko eines Bad- und Saunabesuchs angesichts der Ausbreitung des Corona-Virus.

Klaus Batz: Sehr geehrter Herr Dr. Specht, zunächst vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview nehmen, Sie sind ja als Tropen- und Präventionsmediziner derzeit ein viel gefragter Experte. Die Ausbreitung des Coronavirus hat auch bei den Gästen in unseren Freizeitbädern und Thermen für Verunsicherung gesorgt. Gibt es tatsächlich ein erhöhtes Ansteckungsrisiko beim Besuch eines öffentlichen Bades oder einer Saunalandschaft?

Christoph Specht: Das neue Coronavirus wird ja wie alle anderen Erkältungsviren – übrigens auch das echte Grippevirus – über Tröpfcheninfektion weitergegeben, das heißt beim Sprechen, Singen, Reden oder Niesen. Da kommen immer kleine Tröpfchen aus dem Mund oder der Nase, die muss man nicht immer sehen, und in diesen Tröpfchen sind die Viren. Wenn jetzt diese Tröpfchen mit den Viren drin zum Beispiel bei mir an die Schleimhaut gelangen, also an die Lippe, die Augen oder die Nase, dann können sie von dort weiterwandern, sich festsetzen und vermehren. Dann habe ich mich angesteckt. Das ist der typische Modus bei einer Tröpfcheninfektion. Eine Übertragung funktioniert aber nicht über das Wasser. Das heißt, wir reden hier nicht über ein „Wasser-Virus“, das irgendwo herumschwimmt. Das wäre gerade in einem Thermalbad oder einem Freizeitbad aufgrund der dortigen Hygiene-Voraussetzungen und der Chlorierung ganz unvorstellbar. Das mögen die Viren überhaupt nicht! Also die Gefahr, sich über das Wasser im Becken anzustecken, würde ich geradezu ausschließen. Etwas anderes ist es, wenn wir nahe beieinanderstehen. Aber das ist eben auch kein spezifisches Risiko in einem Bad, sondern das kann überall stattfinden. Wenn ich mit der Bahn oder mit dem Bus zum Bad fahre, dann habe ich dort sicher ein höheres Risiko als im Bad selbst. Einfach weil dort meistens mehr Menschen eng beieinanderstehen oder sitzen.

Klaus Batz: Halten Sie in der derzeitigen Situation eine Schließung der öffentlichen Bäder für angebracht und unter welchen Umständen wäre eine solche Maßnahme für Sie sinnvoll oder sogar zwingend erforderlich?

Christoph Specht: Wenn es um das Ansteckungsrisiko mit dem neuen Coronavirus geht, dann müsste man, bevor man irgendwelche Bäder schließt, den gesamten Nah- und Fernverkehr lahmlegen, denn dort sind sehr viel mehr Menschen nahe beieinander und dort husten und niesen sie natürlich auch mal. Also halte ich das Risiko in den Verkehrsmitteln für deutlich höher. Trotzdem schiebt man natürlich jetzt hier nicht komplett einen Riegel vor, die Menschen müssen sich ja noch irgendwie bewegen können. Viel wichtiger ist es, dass wir die Regeln, die wir ja alle sattsam kennen, einhalten: Wenn man niesen oder husten muss, dann dreht man sich weg und niest oder hustet in die Armbeuge, und wenn man miteinander spricht, dann hält man einen Abstand von gut einem Meter. Wenn man jemanden die Hände gegeben hat, sollte man sich gleich anschließend die Hände waschen oder man verzichtet eben auf das Händeschütteln. Sich nicht die Hand zu geben ist tatsächlich eine sehr wirksame Methode, um das Infektionsrisiko zu minimieren.

Klaus Batz: Die allgemeinen Empfehlungen zum Schutz vor einer Infektion mit dem Coronavirus sind ja inzwischen hinlänglich bekannt, gibt es darüber hinaus besondere Maßnahmen, die Sie beim Besuch eines Freizeitbades oder einer Therme empfehlen?

Christoph Specht: In einem öffentlichen Bad gelten genau die gleichen Hygieneregeln wie überall sonst. Wir haben es ja jetzt schon oft gehört: Wir sollten uns häufig die Hände waschen. Wasser und Seife reichen völlig aus. Wir brauchen dafür kein Desinfektionsmittel (nur dann, wenn wir Wasser und Seife nicht zur Verfügung haben). Wir halten Abstand von anderen Menschen. Wir drehen uns weg, wenn wir niesen und husten müssen, und halten damit unsere Hände frei von den Viren. Wenn wir diese Regeln einhalten, dann können wir bereits unglaublich viel erreichen, um die Infektionswege zu unterbrechen und die Verbreitung zu verlangsamen, so dass wir vor allen Dingen die Menschen schützen, die vom Coronavirus am ehesten betroffen wären: das sind die Älteren mit Begleiterkrankungen. Wenn wir diese einfachen Regeln beherzigen, und zwar überall, wo wir sind – im Thermalbad, im Bus, im Büro oder wo auch immer – dann haben wir bereits ganz viel getan. Es gibt nichts, was man im Freizeitbad oder einer Therme nun ganz besonders beachten müsste.

Klaus Batz: Und wie ist es beim Besuch einer öffentlichen Saunaanlage? Regelmäßiges Saunabaden stärkt ja bekanntlich die Abwehrkräfte, aber gerade bei den beliebten Aufgusszeremonien sitzen unsere Gäste manchmal Pobacke an Pobacke. Sollte man da nicht lieber auf den Aufguss verzichten und sich in weniger stark frequentierte Saunakabinen zurückziehen?

Christoph Specht: In einer Sauna kommen mehr oder weniger viele Menschen auf engem Raum zusammen. Wir haben da eine ähnliche Situation wie in einem öffentlichen Verkehrsmittel. Natürlich ist es möglich, in solchen engen Räumen das Virus zu übertragen. Auf der anderen Seite ist ein Saunabesuch vermutlich nicht gefährlicher als im Bus zu fahren, denn dort hat man eben auch diese engen Räume. Bei der Sauna kommt eher noch hinzu, dass hier ja höhere Temperaturen eine Rolle spielen – und das Coronavirus mag es nicht so besonders warm und auch nicht so extrem feucht. Trotzdem hier gilt wieder einmal dasselbe wie überall, wo sich Menschen begegnen: Sich nicht gegenseitig anniesen oder anhusten, ein bisschen Abstand wahren und die Hände vor und nach dem Händeschütteln waschen. Damit ist bereits viel getan, um eine Infektionsgefahr zu minimieren.

Klaus Batz: Zum Schluss eine persönliche Frage: Hätten Sie im Moment Bedenken, ein öffentliches Bad zu besuchen, oder nicht?

Christoph Specht: Ich hätte in der augenblicklichen Situation überhaupt keine Bedenken, eine Badelandschaft aufzusuchen. Es gilt wie überall: Ich muss mich hygienisch einwandfrei verhalten. Gerade das kann ich aber in einem Thermalbad oder einem Freizeitbad besonders gut. Die Betreiber, so wie ich es gesehen habe, tun ja alles, dass die Menschen sich eben auch die Hände waschen bzw. sogar desinfizieren können, und sie achten darauf, dass natürlich die Wasserqualität stimmt. All diese Maßnahmen sind ganz allgemeine Hygiene-Maßnahmen sind, die auch bereits vor der Ausbreitung des Coronavirus galten. Sie dienen dazu, auch andere Erreger abzutöten, sodass diese nicht so leicht übertragen werden können. Ich persönlich, um es nochmal zu sagen hätte überhaupt kein Problem, in ein Thermalbad oder Freizeitbad zu gehen.

Herr Dr. Specht, herzlichen Dank für das Gespräch und die offenen Worte!

(Foto: Jo Kirchherr)